Du bist dem Staat egal

Die aktuellen Sozialkürzungen und entsprechende Lektionen über das Verhältnis von Staat und Volk

Union und SPD haben sich geeinigt: das Bürgergeld wird abgeschafft. Ersetzt werden soll es durch eine „Grundsicherung“. Doch anstatt die Beträge nach oben zu korrigieren um Menschen am sozialen Rand ein einigermaßen würdevolles Leben zu ermöglichen, sollen Bezieher*innen nun mit noch mehr Repressionen überzogen werden. Wer 2 Termine beim Amt versäumt, dem werden 30% gestrichen. Nach dem 3. verpassten Termin werden die Zahlungen komplett eingestellt. Das bedeutet: kein Essen, keine Heizung, keine Miete. Das trifft vor allem diejenigen von Sozialleistungen Abhängigen, die sowieso schon am Boden sind. Psychisch Kranke, Süchtige, Menschen, die sich nicht aus dem Haus trauen. Diese Menschen sollen nun defacto zum Tode verurteilt werden. Kein Essen bedeutet Hunger, keine Heizung bedeutet Kälte, keine Miete führt unweigerlich zur Obdachtlosigkeit.

Laut des ersten Artikels des deutschen Grundgesetzes ist die Menschenwürde unantasbar. Diese Unantasbarkeit offenbahrt sich nun als durchaus antastbar. Die schwersten Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger, kriegen ihre Grundbedürfnisse staatlich im Gefängnis gedeckt, doch nun wird das Jobcenter zum Scharfrichter. Es zeigt sich: die Menschenwürde endet dort, wo Menschen keinen Zweck mehr für den Staat erfüllen. Menschen, die sich weigern oder einfach nicht in der Lage dazu sind, die größten Scheißjobs anzunehmen, werden aussortiert und sanktioniert: entweder sie beugen sich dem deutschen Staat oder sie werden in den sicheren Tod geschickt.

All das passiert unter dem Vorwand der Einsparung und der sozialen Gerechtigkeit für diejenigen, die arbeiten gehen. Doch diese Begründungen sind nichts als reaktionäre Propaganda. Der durch die Abschaffung des Bürgergelds eingesparten Einnahmen sind für den deutschen Staatshaushalt nichts als Kleingeld, so sehr, dass diese Kosten problemlos vom jährlichen Staatshaushaltsüberschuss gedeckt werden könnten. Ginge es tatsächlich darum Geld zu sparen (oder zu machen), würde der deutsche Staat nicht das größte Aufrüstungsprogramm seit dem 2. Weltkrieg ankurbeln oder sich durch Steuergeschenke an die Oligarchie mehrere hunder Milliarden Euro durch die Lappen gehen lassen. Offensichtlich geht es nicht um das Geld oder die Kosten.

Und was ist mit der Gerechtigkeit gegenüber allen „normal“ Arbeitenden? Dagegen muss man die Frage stellen: Was bringt es ihnen? Abgesehen davon, dass die allermeisten Arbeiterinnen irgendwann in ihrem Leben arbeitslos und zumindest temporär auf Sozialleistungen angewiesen sind, verschlechtern diese neuen Sanktionen die Arbeitsverhältnisse sogar noch. Sobald der Staat anfängt arbeitslose Menschen unter Androhung von Tod und Elend in den Niedriglohnsektor zu zwingen, erlischt das Druckmittel der Kündigung für die Arbeiterklasse. Warum sollten Chefs sich Mühe geben, angemessenen Lohn zu zahlen oder gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, wenn sie vom Staat praktisch unbegrenzt Arbeitskräfte vor die Füße geworfen bekommen? Kapitalisten können sich so gegenseitig problemlos in ihren Arbeitsbedingungen unterbieten, etwas was ALLE Arbeiterinnen gleichermaßen treffen wird. Die soziale Gerechtigkeit gegenüber der arbeitenden Bevölkerung ist also in Wahrheit eine noch viel größere Ungerechtigkeit, als sowieso schon.

Von den kleinen eingesparrten Beträgen werden keine Schulen gebaut, keine Straßen saniert, kein Nahverkehr vergünstigt werden. Von der zynischen Schadenfreude darüber, dass „die Sozialschmarotzer endlich ihre gerechte Strafe bekommen“, wird sich niemand etwas kaufen können.

Hier wird aber auch das Verhältnis vom Volk zum Staat und seiner Wirtschaft anschaulich: Geht es der Wirtschaft schlecht, dann spüren das alle durch Streichung von Geldern, teureren Bahntickets, uns so weiter. Boomt die Wirtschaft, dann hat keiner was direkt davon, weil das Geld, wie aktuell, in das Militär gesteckt wird. Ebenso liegt die Streichung der Sozialleistungen, Erhöhung des Renteneinstiegsalters und Verlängerung das Arbeitstages an der geringen Geburtenrate. Durch eine mangelnde Reproduktion muss der Erfolg der Nation auf anderen Wegen sichergestellt werden. Migration wird momentan nur eingeschränkt, weil es sich in den Augen der Regierung Kosten-Nutzen-technisch nicht lohnt. Das kann sich aber auch schnell ändern und in paar Jahren könnte wieder für Migration geworben werden. Der Staat setzt nicht die Interessen der Bürger im Allgemeinen um, sondern nutz die Bürger um sein Interesse – einen erfolgreichen Kapitalismus – durchzusetzen. Dafür braucht er natürlich eine ganze Menge an nationaler Arbeitskraft und wenn die staatlich verordnete Freiwilligkeit der Jobauswahl nicht genüge tut, muss dann eben nachgeholfen werden.

Wir sagen daher: Stoppt die Grundsicherung, stoppt die Sanktionen gegen Bezieher*innen von Sozialleistungen! Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen! Kampf der Lohnarbeit und dem Kapitalismus!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert