Ob Ampel oder Schwarz-Rot – die Gesichter wechseln, doch die Politik bleibt im Kern dieselbe. Die Versprechen von sozialer Gerechtigkeit, Klimaschutz oder einer angeblich „werteorientierten Außenpolitik“ entpuppen sich immer wieder als das, was sie sind: schamlose Lügen. Krieg und Krise werden medial zum Normalzustand, statt Fortschritt gibt es Sozialabbau, statt Frieden massive Aufrüstung, statt Solidarität Repression und Hetze. All das funktioniert auch ganz ohne AfD.

Der Kapitalismus steckt in der Krise – doch nicht alle trifft es gleich. Während Jugendliche auf Nebenjobs angewiesen sind, um über die Runden zu kommen, und selbst einfachste Wohnungen unerschwinglich werden, mobilisiert der Staat gigantische Summen für Aufrüstung: 500 Milliarden Euro für Panzer, Drohnen und Kriegstauglichkeit. Für Bildung, Gesundheit oder bezahlbares Wohnen dagegen fehlt das Geld. Für den Krieg ist Geld da, denn er ist im Interesse der Herrschenden – unser Leben ist da zweitrangig.

Das ist kein „Versagen“, sondern Ausdruck der Logik dieses Systems. Der Staat handelt als ideeller Gesamtkapitalist – er schützt nicht unser Leben, sondern die Interessen des Kapitals. Aufrüstung und Kriege sichern Macht und Profite der Herrschenden, während wir die Kosten tragen. Jede Krise wird genutzt, um Reichtum weiter von unten nach oben umzuverteilen. Unser Wohlergehen ist für dieses System bestenfalls zweitrangig – es liegt an uns, diesen Zustand zu beenden. 

Vor allem werden wir als Jugend immer mehr ins Visier genommen. Geld fehlt an den Schulen und Freizeitorten, auch hier in Göttingen wird die Finanzierung unserer Jugendzentren von der Stadt zu einem immer größeren Problem. Auch in ihren Kriegen sollen wir nun verheizt werden. Die Rufe nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht werden immer lauter – auch von den vermeintlich linken und progressiven Grünen, die das Ganze mit einer scheinbar harmlosen und „innovativen“ Wortneuschöpfung verpacken: „Freiheitsdienst“. Was sich nach Freiwilligkeit und Idealismus anhört, ist nichts anderes als militarisierte Zwangsarbeit im Interesse eines Kriegstreibenden Staates. Wir sollen also an die Front – unser Leben riskieren –, damit die außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen der BRD abgesichert werden?

Und wenn Menschen protestieren? Dann wird der Staat richtig nervös. Die staatlichen Repressionen nehmen immer weiter zu. Antifaschistinnen, Klimagerechtigkeitsbewegungen, migrantische Linke und internationalistische Proteste – aktuell vor allem die palästinasolidarische Bewegung – stehen besonders im Fokus. Sie dienen als Experimentierfeld für neue Grundrechtseinschränkungen, wie jüngst die geplante Abschiebung von vier palästinensischen EU-Bürgerinnen. Ziel ist es, linke Bewegungen einzuschüchtern, zu schwächen und zu isolieren – ein direkter Angriff auf alle, die Widerstand leisten.

Die Schuldigen für die multiplen gesellschaftlichen Krisen stehen für Politik und Medien längst fest: Es seien die „arbeitsscheue“ Jugend, die Migrantinnen, die Bürgergeldempfängerinnen. Sie alle werden zu Sündenböcken gemacht – angeblich verantwortlich für Haushaltslöcher, Wohnungsnot und eine angeblich bedrohte „innere Sicherheit“. Diese rassistische und arbeiter*innenfeindliche Hetze kommt längst nicht mehr nur von der AfD. Sie reicht tief hinein in die sogenannte politische Mitte – von der CDU über FDP bis hinein in Teile der Ampel.

Und sie verfolgt einen klaren Zweck: Sie lenkt ab. Sie spaltet. Statt über die tatsächlichen Ursachen der Krisen zu sprechen – über den Kapitalismus, der Armut, Krieg und ökologische Zerstörung systematisch hervorbringt –, wird der Hass auf diejenigen gelenkt, die am wenigsten haben: Migrant*innen, Arbeitslose, Jugendliche ohne Perspektive. Diejenigen, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen, werden zu Sündenböcken gemacht – während die Profiteure des Systems im Hintergrund bleiben.

Der Achtstundentag, Urlaub, Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, gesetzliche Krankenversicherung, Mutterschutz, Betriebsräte, das Streik- und das Wahlrecht – all das sind keine großzügigen Geschenke irgendeiner besonders „sozialen“ Regierung. Diese Errungenschaften wurden erkämpft – von Arbeiter*innen, die sich organisiert haben, die gestreikt, blockiert und demonstriert haben, die sich gegen Repression, Polizeigewalt und politischen Druck zur Wehr gesetzt haben. Es waren jahrzehntelange, oft blutige Kämpfe, die uns das gebracht haben, was heute gern als selbstverständlich verkauft wird.

Und auch heute gilt: Was wir nicht selbst als Klasse erkämpfen, werden wir nicht bekommen. Ob bezahlbarer Wohnraum, höhere Löhne, Klimagerechtigkeit oder ein Leben ohne Angst vor Armut, Krieg und Verfolgung – wir müssen es uns nehmen. Gemeinsam, laut, unbequem. Unsere Bedürfnisse nach einer Gesellschaft, in der Menschen wichtiger sind als Profite, lassen sich in diesem System nicht durch Reformen verwirklichen. Der Kapitalismus führt notwendig zu Kriegen und Krisen, nur seine Überwindung setzt dem ein Ende.

Der 1. Mai war nie ein Tag des gemütlichen DGB-Kaffeekränzchens. Er ist aus dem Streik geboren, aus Widerstand, aus Klassenkampf. 1886 legten in Chicago Tausende Arbeiter*innen die Arbeit nieder, um für den Achtstundentag zu kämpfen. Die Polizei schlug brutal zu. Es kam zu Toten, zur Verhaftung von Gewerkschaftern, zur Hinrichtung von Aktivisten. Seitdem ist der 1. Mai ein Symbol internationaler Solidarität – ein Tag, an dem sich Ausgebeutete und Unterdrückte weltweit verbinden.

Heute, wo unsere Rechte wieder unter Beschuss stehen, wo soziale Sicherheit abgebaut, Repression ausgebaut und Widerstand kriminalisiert wird, muss der 1. Mai wieder das werden, was er immer war:

Ein Kampftag gegen das System – nicht ein Feiertag im System.