Debatte um das AFD Verbot

Unser Redebeitrag zur Demo für ein AFD-Verbot vom 11.05.2025, organisiert von den Studis-gegen-Rechts Göttingen:

Wir stehen heute hier, weil die AfD verboten werden soll – und viele von uns würden das vermutlich gerne sofort unterschreiben. Eine Partei, die rassistische Hetze betreibt, Faschisten in ihren Reihen fördert, völkische Netzwerke aufbaut und einen rechten Staatsstreich nicht nur duldet, sondern aktiv plant – sie gehört nicht in Parlamente, sondern vor ein Tribunal.

Doch so einfach ist es nicht. Und genau deshalb sind wir hier – nicht nur, um die AfD zu kritisieren, sondern um mehr zu sagen. Denn die AfD ist nicht das einzige Problem. Sie ist die logische Konsequenz eines autoritären, rassistischen, kapitalistischen Normalzustands. Sie ist kein Widerspruch zur Demokratie – sie ist ihr Kind.

Schauen wir uns die sogenannte „Mitte“ an: Die Ampelregierung verschärft das Asylrecht. SPD und Grüne, die sich früher einmal als „menschenfreundlich“ inszenierten, fördern Pushbacks an den EU-Außengrenzen – und wollen Menschen allein auf Grundlage ihrer Social-Media-Aktivitäten abschieben, wenn ihnen „extremistische“ Inhalte vorgeworfen werden. Olaf Scholz forderte 2023: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“ Die FDP möchte Geflüchtete mit 38 Cent Stundenlohn zu Arbeit zwingen – moderner Kolonialismus unter neoliberaler Maske.

Feministische und „werteorientierte“ Außenpolitik schreiben SPD und Grüne sich auf die Fahnen – doch was bedeutet das? Deutschland gehört zu den aktivsten Unterstützern des israelischen Genozids an den Palästinenser:innen. Nicht nur finanziell und diplomatisch, sondern auch durch eine massive mediale und politische Gleichschaltung im Inland. Kritik an Israel? Sofort diffamiert. Solidarität mit Palästina? Kriminalisiert.

Gleichzeitig wird im Innern eine Politik betrieben, die die soziale Spaltung vertieft – die Reichen werden reicher, die Armen obdachlos. Und die CDU? Die übernimmt rechte Narrative, setzt auf autoritäre „Law & Order“-Rhetorik und bereitet längst Koalitionen mit der AfD auf kommunaler Ebene vor – siehe Sonneberg oder Pirna. Das konservative Establishment rückt nach rechts – und nennt das dann „Realpolitik“.

Wenn also alle etablierten Parteien am rechten Rollback mitbauen – was bringt uns dann ein Verbot der AfD? Ein AfD-Verbot ist keine antifaschistische Praxis. Es ist ein rechtliches Symbol – und Symbole helfen uns nur dann, wenn wir sie richtig einordnen.

Der Staat, der jetzt über ein AfD-Verbot diskutiert, ist derselbe Staat, der jahrelang NSU-Terror verharmloste, der V-Leute in rechten Netzwerken schützt, der Razzien bei Klimaaktivist:innen durchführt, linke Opposition mit Repressionen überzieht – von Polizeigewalt bis zu Berufsverboten –, während Nazis weiterhin unbehelligt ihre Strukturen ausbauen. Dieser Staat schützt die Verfassung – aber die Verfassung schützt nicht uns.

Antifaschist:innen werden beobachtet, kriminalisiert, zensiert. Der Staat ist kein neutraler Vermittler zwischen „demokratisch“ und „extrem“ – er verteidigt ein kapitalistisches System, das auf Ausbeutung, Ungleichheit und Gewalt basiert.

Das bedeutet zwei Dinge:
Rund die Hälfte der AfD-Wähler:innen wählt aus Überzeugung, die andere Hälfte aus Protest. Beide Gründe führen zur gleichen Frage: Wenn die AfD verboten wird – sind diese 47 % dann plötzlich keine Nazis mehr? Und sind die 53 % Protestwähler:innen dann zufrieden mit der Regierung?
Wählen die dann etwa alle die Linkspartei? Natürlich nicht.

Ein Blick in die Geschichte zeigt warum:
Als die NSDAP 1923 verboten wurde – was geschah? Sie kam zurück. Neu organisiert. Stärker. Auch ein AfD-Verbot würde die Partei nicht vernichten – es würde sie stärken. Eine Partei, die sich als „Anti-Establishment“ inszeniert, kann nicht durch ein Verbot verschwinden. Im Gegenteil: Ein Verbot bestätigt sie in ihrer Rolle. Es gibt ihr Märtyrerstatus und Auftrieb.

Die Existenz der AfD ist kein Betriebsunfall – sie ist das Symptom der Widersprüche dieses Systems. Seit der Wende wurden ganze Regionen deindustrialisiert, Millionen Menschen verunsichert und entwertet. Die soziale Frage wurde nie beantwortet – sie wurde autoritär verwaltet. Unter dem Vorwand, eine Alternative zu sein, kanalisiert die AfD diese Unzufriedenheit in Hass.

Wie einst die NSDAP ist sie eine Reaktion auf Krisen, auf Angst, auf Kontrollverlust. Sie verbindet „die-da-oben“-Polemik mit rassistischer Hetze. Migration – die durch Kriege, Armut, Klimakrise und Ausbeutung entsteht – wird zum Sündenbock gemacht.

Statt Nonsens-Debatten über Parteiverbote zu führen, müssen wir das angekratzte politische Bewusstsein nutzen. Nicht zum Staat flehen, sondern die Widersprüche benennen. Denn: Die AfD ist nicht die Ursache. Sie ist das Symptom.

Unser Ziel darf nicht „Zurück zur Mitte“ heißen. Diese Mitte verwaltet Armut, schützt Reichtum, sichert Ausbeutung und führt Kriege. Ein System, das Profite über Menschen stellt, wird immer wieder Faschismus hervorbringen – ob mit Hakenkreuz oder mit Schlips.

Die AfD will dieses System autoritärer machen. Die Regierung will es effizienter verwalten. Beides ist Teil desselben Problems. Wir aber wollen dieses System überwinden.

Wir wollen nicht das selbe scheiß System – nur ohne Nazis. Wir wollen keine Verwaltung des Elends – wir wollen seine Abschaffung. Was wir brauchen, ist eine radikale Perspektive jenseits der Parlamente. Antifaschismus ist keine Bitte – er ist Selbstschutz.

Solidarität, Organisierung, kollektiver Widerstand. In Betrieben, in Schulen, in den Unis, in Nachbarschaften. Ein antifaschistischer Konsens muss von unten wachsen – nicht von oben verordnet werden. Denn was heute gegen Rechte eingesetzt wird, kann morgen gegen uns stehen. Wir brauchen keine staatliche Repression – wir brauchen linke Gegenmacht.

Deshalb lasst uns heute klar sagen: Ja, die AfD muss weg. Aber mit ihr auch die Wurzeln des Problems: Die Brandstifter in den Ministerien. Die Schweigenden in den Redaktionen. Die Profiteure im Kapital. Das ganze System.

Und ja – wir kämpfen gegen Faschismus. Aber danach hören wir nicht auf.
Unser Ziel ist mehr:
Eine Welt ohne Ausbeutung, ohne Grenzen, ohne Unterdrückung, ohne Krieg.
Eine Welt der Freiheit – für alle.
Danke.

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